Soll ich mir meinen Bausparvertrag auszahlen lassen?
Das Wesentliche zusammengefasst
- ein Bausparvertrag ist sehr teuer, intransparent und unflexibel
- Verbraucherschützer raten vehement vom Abschluss von Bausparverträgen ab
- hohe Abschlusskosten und niedrige Zinsen machen das Produkt zu einem Auslaufmodell
- einen Bausparvertrag kann man sich jederzeit auszahlen lassen, wenn die Kündigungsfristen beachtet werden
Ist Bausparen sinnvoll? – Ein Rechenbeispiel
Soll ich mir meinen Bausparvertrag auszahlen lassen? – Neben der privaten Lebens- und Rentenversicherung ist der Bausparvertrag in Deutschland und Österreich eine der beliebtesten Sparprodukte. In gutem Glauben wird er schnell abgeschlossen, ohne ihn wirklich zu hinterfragen. Dies wäre aber bitter nötig, denn nach Abzug der Inflation und der Kosten bleibt wenig übrig. Wenn nüchtern nachgerechnet wird, ist ein Bausparvertrag die teuerste Art, ein Eigenheim zu finanzieren. Verbraucherschutz-Organisationen bemängeln dies seit Jahren. Sie warnen vor überteuerten Verträgen mit viel zu hohen Abschlusskosten. Hier ein Rechenbeispiel eines Originalangebotes einer deutschen Bausparkasse aus dem Jahr 2017:
Lohnt sich Bausparen wirklich?
Angebot Bausparkasse | Fonds oder ETF Alternative | |
---|---|---|
Ansparphase | 15 Jahre | 15 Jahre |
Bausparsumme/benötigte Geldsumme | 100.000 € | 100.000 € |
Guthabenzins pro Jahr | 0,1 % | 6 % |
Einmalige Abschlussgebühren 1 % | 1000 € | keine |
Jährliche Gebühren | 12 € | 1 % (abhängig vom Depotvolumen) |
Effektive Darlehenszinsen pro Jahr | 2,65 % | noch nicht bekannt |
Monatliche Ansparrate | 232 € | 232 € |
Einzahlung in 15 Jahren | 41.760 € | 41.760 € |
Guthaben nach 15 Jahren | 40.179 € | 58.772 € |
Gewinn/Verlust in Ansparphase | - 1.581 € | + 18.593 € |
Bauspardarlehen/ Bankdarlehen (11,43 % Zins) | 59.821 € | 41.228 € |
Monatliche Rückzahlungsrate: Zins und Tilgung | 600 € | 600 € |
Rückzahlungszeit | 9 Jahre, 4 Monate | 9 Jahre, 4 Monate |
Restschuld | 0 € | 0 € |
Originalangebot einer deutschen Bausparkasse im Vergleich mit einem konservativen Fonds- oder ETF-Alternative
Zur Erklärung: Es wird angenommen, dass ein Kunde eine Bausparsumme von 100.000 € mit monatlich 232 € mit einer Verzinsung von 0,1 % pro Jahr anspart. Es wird vernachlässigt, dass man heutzutage mit einer Summe von 100.000 € kein Haus mehr kaufen kann. Nach 15 Jahren hätte man nach Abzug der Abschlussgebühren von 1.000 € und 12 € jährlichen Kontogebühren ein Guthaben von 40.179 €, also weniger als seine Einzahlung von 41.760 €.
Hier entsteht also schon ein Verlust von 1.581 € in der Ansparphase. Ist ein Guthaben in Höhe von ca. 40 % der Bausparsumme erreicht und der Vertrag damit zuteilungsreif, kann man ein Darlehen in Höhe von 59.821 € mit einem effektiven Zinssatz von 2,65 % pro Jahr in Anspruch nehmen. Wenn der Bausparer nach 15 Jahren das Darlehen bekommt, zahlt er es mit einer Rate von 600 € monatlich ab und ist nach 9 Jahren und 4 Monaten schuldenfrei. Die Alternative nutzt die gleichen Rahmenbedingungen wie beim Bausparvertrag und investiert in einen oder mehrere Fonds oder ETF’s mit einer Nettorendite von 5 % pro Jahr. Diese Renditeerwartung ergibt sich aus 6 % pro Jahr abzüglich 1 % pauschal angenommener Verwaltungsgebühr. Nach 15 Jahren besitzt man nach Steuerabzug ein Guthaben von 58.772 € oder kann einen Gewinn von 18.593 € verbuchen.
Je mehr eigenes Geld man zur Verfügung hat, desto weniger Geld muss man sich von anderen leihen. In diesem Fall läge der Darlehensbetrag nur noch bei 41.228 €. Das ist deutlich weniger als die Kreditsumme von 59.821 € bei der Bausparkasse. Allerdings hat man keine Zinsgarantie, da man nicht weiß, wie hoch die Darlehenszinsen in 15 Jahren sind. Man muss also ein Bankdarlehen für die 41.228 € aufnehmen. Die Rate von 600 € monatlich behält man bei, um direkt vergleichen zu können. Darüber hinaus wollen wir im selben Zeitraum schuldenfrei sein. Bausparen heißt immer, sparen unterhalb der Inflation.
Um tatsächlich schlechter gestellt zu sein als beim Bausparvertrag, müsste der Zinssatz des Bankdarlehens auf über 11,4 % pro Jahr steigen. Erst dann würde sich das Bausparen lohnen. Aktuell belaufen sich die Zinsen für ein 10-jähriges Darlehen bei der Bank auf rund 1 % pro Jahr. Ein so hoher Zinsanstieg ist vollkommen ausgeschlossen!
Alternativen zum Bausparvertrag
Soll ich mir meinen Bausparvertrag auszahlen lassen? – Es ist absurd, wenn 15 Jahre in einen Vertrag eingezahlt wird und am Ende nicht einmal die eingezahlten Beiträge erwirtschaftet werden. Die hohen Abschlussgebühren, die magere Rendite und die Inflation machen den Bausparvertrag zu einem sehr teuren und unrentablen Geschäft für den Kunden, trotz staatlicher Förderung.
In dieser zinslosen Zeit gibt es nur wenige Alternativen zum Bausparvertrag. Doch diese sind denkbar einfach. Die attraktivste und kostengünstigste ist ein Fonds- oder ETF-Portfolio. Bausparverträge werden immer langfristig abgeschlossen, also mindestens 5 Jahre, oft laufen diese auch 15 Jahre und mehr. Genauso verhält es sich bei aktiven Investmentfonds und passiven ETFs. Je länger man das Geld anlegen will, desto besser. Mit einem ausgewogenen Portfolio, der nötigen Anlagedauer und monatlichen Zahlungen kann man Schwankungen am Kapitalmarkt minimieren. Das Geld ist tagtäglich verfügbar, und man hat höchstmögliche Flexibilität. Wie das obige Rechenbeispiel zeigt, ist ein Fonds- oder ETF-Portfolio eine günstige, renditestarke und leicht verständliche Alternative zum Bausparvertrag. Ein Depot-Konto ist auch bei einem Crash des Euro im Sondervermögen geschützt. Sollte dieses doch eher unwahrscheinliche Szenario eintreten, wäre das Geld in einem Bausparvertrag weg. Der Bausparvertrag hat also nicht nur in diesen zinslosen Zeiten keine Daseinsberechtigung mehr.
Wie kann ich mir meinen Bausparvertrag auszahlen lassen?
Einen Bausparvertrag kann man jederzeit kostenlos innerhalb von zwei bis sechs Monaten auszahlen lassen. Wenn man dies vor den ersten 7 Jahren macht, verfällt die Wohnungsbauprämie, sowie der Anspruch auf das Darlehen. Die Auszahlungs- oder Kündigungsfristen sind von Bausparkasse zu Bausparkasse unterschiedlich. Diese findet man in der Regel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der jeweiligen Bausparkasse. Einen Bausparvertrag kann man nur komplett auszahlen lassen. Teilbeträge können nicht ausbezahlt werden. Die Abschlussgebühren werden bei einer Auszahlung nicht erstattet. Man erhält bei Auszahlung das angesparte Geld sowie die bis dahin gewährten Zinsen. Prinzipiell hängt es davon ab, in welcher Phase des Vertrages man diesen kündigt.
Auszahlung in der Ansparphase
Bevor man den Vertrag auszahlen lassen kann, muss man diesen erst kündigen. Nach der Kündigungsfrist kann man dann über das Guthaben verfügen. Manchmal kann man auch früher über das Geld verfügen, muss aber oftmals mit einer Vorfälligkeitsentschädigung rechnen, also einer Kündigungsgebühr.
Gebühr und Kosten für eine Auszahlung
Wenn man innerhalb der Kündigungsfrist den Bausparvertrag kündigen will, kann es zu Kündigungsgebühren kommen. Diese Vorfälligkeitsentschädigung wird auch Auszahlungsabschlag genannt. Die Entschädigung beträgt in der Regel zwischen 0,5 % und 1 % des Guthabens für jeden Monat, den man das Geld früher braucht, als bei fristgerechter Kündigung. Bei einem Guthaben von 30.000 € sind das 300 € pro Monat.
Auszahlung in der Zuteilungsphase
Ist der Bausparvertrag zuteilungsreif, entstehen für die Kündigung und somit Auszahlung der angesparten Summe keine Kosten. Das Guthaben wird mit Zinsen überwiesen. Man kann entscheiden, ob man das angebotene Bauspardarlehen nutzen möchte oder nicht.
Bausparvertrag kündigen – Musterschreiben
Wer seinen Bausparvertrag kündigen will, findet hier eine Vorlage.
Bausparkasse XY
Straße
PLZ, Ort
Datum
Betreff: Kündigung meines Bausparvertrages mit der Nummer …
Hiermit kündige ich mit sofortiger Wirkung meinen Bausparvertrag mit der Nummer … Ich bitte Sie, das Guthaben auf folgendes Konto zu überweisen. Gleichzeitig entziehe ich ihnen die Einzugsermächtigung.
Inhaber: Maximilian Mustermann
IBAN: DE 01 0000 0000 0000 …
BIC: XYZ
Ich bitte um eine schriftliche Kündigungsbestätigung.
Mit freundlichen Grüßen
Maximilian Mustermann
Bausparkassen kündigen von sich aus alte Verträge
Bausparkassen dürfen auch Bausparverträge kündigen, sofern der Kunde die Bausparsumme komplett angespart hat und trotzdem weiterhin einzahlt. Laut Bundesgerichtshof (BGH) vom Februar 2017 dürfen Bausparkassen Verträge kündigen, die schon mehr als ein Jahrzehnt zuteilungsreif sind, auch wenn diese noch nicht voll bespart sind. Zum Ärger der Kunden sind diese Bausparverträge jene Verträge, mit den höchsten Guthabenzinsen. Viele kennen leider die kostengünstigen und inflationsgeschützten Alternativen nicht (siehe oben). Finanzielle Aufklärung wird wichtiger denn je, erst recht, da die gesetzliche Rente – nach Inflation – immer weniger wird.
Einzelnachweise
Wenn du noch mehr wissen möchtest:
Vermögenswirksame Leistungen wo einzahlen?
17.08.2021Vermögenswirksame Leistungen sollte man sich als Arbeitnehmer nicht entgehen lassen. Aber es stellt sich immer auch die Frage in was man diese am schlausten einzahlt. Hier erfährst du alles über Vermögenswirksame Leistungen.Vermögenswirksame Leistungen (VL) und Bausparen?
21.02.2020Vermögenswirksame Leistungen sind ein Bonus vom Arbeitgeber, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Manche Sparer lassen diese in einen Bausparvertrag 'fließen'. Aber ist das klug?Soll ich meine Rentenversicherung stilllegen?
21.02.2020Die Rentenversicherung stellt dich nicht zufrieden und du willst etwas dagegen tun? Eine Möglichkeit ist es, die Rentenversicherung stillzulegen. Erfahre hier, wie das geht und, ob es für dich sinnvoll ist.Soll ich meine Rentenversicherung ruhen lassen?
21.02.2020Unzufrieden mit der Rentenversicherung? Mit diesem Musterschreiben kann man den Vertrag ruhen lassen. Aber aufgepasst, denn damit ruhen nicht automatisch auch alle Kosten.